Die Akquise ist die Königsdisziplin der Selbstständigkeit. Alle müssen mit ihr klarkommen, keiner spricht so richtig gerne über sie. Und wie funktioniert sie denn eigentlich überhaupt?
Auf Netzwerk-Veranstaltungen smalltalken, sich auf LinkedIn rumtreiben, hundert Mails am Tag schreiben (und an wen denn eigentlich genau?), oder wie stellt man das an?
Weil ich neugierig bin, hab ich für diesen Text rumgefragt.

Und die Tendenz in unserer Blase ist relativ eindeutig: Viele unserer freiberuflichen Kolleg:innen machen angeblich gar keine Akquise, haben aber das Gefühl, sie müssten. Gleichzeitig leben sie von ihrer Arbeit – irgendwas scheint da also doch richtig zu laufen. Hören wir mal rein:

"Akquise im klassischen Sinne habe ich nie betrieben – zumindest war mir die Vorstellung von Kaltakquise immer unangenehm. Meine Aufträge entstehen vielmehr über Interviews und externe Blogbeiträge, in denen ich über Nachhaltigkeitsprojekte oder werteorientiertes Arbeiten spreche. Oft ergeben sich aus diesen Aufträgen Weiterempfehlungen. Besonders wertvoll sind die Kontakte, mit denen man gleiche Werte teilt." – Claudia Zech

"Ich habe mal einen Kurs zur Telefonakquise besucht (Warum auch immer, denn ich hasse telefonieren). Ich habe dann genau 3 Telefonate geführt, bin jeweils sofort abgeblitzt und habe es auch nie wieder versucht.
Wir haben eigentlich alles durch ein stetig wachsendes Netzwerk aufgebaut. Geteilte Werte mit unseren Auftraggebern haben hierbei eine entscheidende Rolle gespielt, denke ich. Am Anfang waren auch einige private Kontakte hilfreich und dann gings nach 3-4 Jahren wie von selbst." – Anja Waldmann

"Ich bin ganz lange davon ausgegangen, dass ich gar keine Akquise betreibe und unbedingt mal damit anfangen müsste. Rückblickend weiß ich aber, dass ich eine sehr verengte Sicht auf das Thema hatte. (…) Ich hab schon ein paar Sachen gemacht, die sich sehr für mich ausgezahlt haben: Netzwerken, mir einen Ruf aufbauen,… (…) Diese Aspekte haben natürlich den großen Nachteil, dass sie organisch wachsen mussten." – Eric Jentzsch

"Für mich ist die effektivste Form der Akquise meine eigene Arbeit direkt dort, wo sie entsteht. Dadurch muss ich niemanden überzeugen und die Menschen kommen oft mit eigenen Ideen auf mich zu, inspiriert durch mein Zeichnen. Viele andere Aufträge entstehen durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Menschen, die mich bei einem Event sehen, aus meinem Umkreis, Freunde von Freunden..." – Salea Rackwitz

"Ich muss zu meiner Schande gestehen, gar keine klassische Akquise zu betreiben. Mein Kundenstamm ist hauptsächlich durch Weiterempfehlungen und persönliche Kontakte entstanden… Vielleicht kann man das ja als eine "organische Form" der Akquise bezeichnen. Ich tummel mich gerne auf Veranstaltungen rum und komme mit Leuten ins Gespräch." – Hannes Naumann

"Ich saß zwar schon in jede Menge Akquise-Seminaren, aber eigentlich hab ich nie welche gemacht. (...) Es ist ein Riesenvorteil, wenn man sich als Grafikdesignerin in einem Umfeld bewegt, das einen interessiert und in dem man sich auskennt und wohlfühlt – und in dem es einen Bedarf an grafischer Gestaltung gibt.
Für mich ist die beste Art von Akquise, Projekte umzusetzen. Gefühlt entsteht aus jedem zweiten oder dritten Projekt irgendetwas Neues (...). Es ist auch ein bisschen mystisch, weil ich das Gefühl habe, es entzieht sich schon meiner Einflussnahme. (...) Sobald ein Plakat, ein Faltblatt oder eine Broschüre draußen in der Welt rumgeistert, werden die eigentlichen Akquise-Kräfte aktiviert und dann kommt irgendwann bei mir eine Mail reingeflattert. (...)" – Lena Haubner

Hier sind die Top Akquise-Tricks unserer weisen Kolleg*innen:
- die eigene Arbeit für sich wirken lassen
- weiterempfohlen werden
- sich entspannen und auf die Akquise-Magie vertrauen

Ich hatte eher an ein schönes Torten-Diagramm und einen Fünf-Punkte-Aktionsplan oder sowas in der Art gedacht... Naja, ich bin euch ja sowieso noch unsere "Tricks" schuldig:

Wenn ich benennen muss, welche Akquise-Strategien bei uns in der parzelle funktionieren, dann stehen da auch an erster Stelle die (1) persönlichen Kontakte. Menschen, die wir aus privaten Kontexten kennen, die an Orten arbeiten, wo unsere Arbeit gebraucht wird, Menschen die von anderen Menschen von uns gehört haben, Menschen, die unsere Arbeit gesehen haben und „auch so was“ wollen, Menschen die schon mit uns zusammen gearbeitet haben und zufrieden waren.
Unser zweites Akquise-Standbein sind im Moment (2) öffentliche Ausschreibungen. Erfolgsquote aus dem Bauch heraus geschätzt: 20%
Um dann nach dem Runterladen von diversen Bieter-Tool-Apps, mehreren Identitätskrisen (aber wie beweisen wir denn bloß im luftleeren Raum, dass wir einen Zeitplan einhalten können?) und dem Ausfüllen von ausufernden Excel-Tabellen unsere rauchenden Köpfe wieder abzukühlen, setzen wir (3) eigene Projekte um, die uns Spaß machen. Neujahrspost, Blog-Artikel, parzelle-Merch, das alles stellt unser Gleichgewicht wieder her und manch einer unserer Fans (hehe) sagt, genau das ist doch auch ein gutes Akquisemittel.
Durch das Umsetzen von eigenen Projekten lassen sich auch gut (4) Auftragslöcher aushalten, denn auch das ist eine Kernkompetenz im Unternehmerinnen-Alltag. Nur in Utopia ist man zu jedem Tag im Monat mit der perfekten Arbeitsmenge ausgelastet. Entweder rauchen uns die Ohren ob der drei Deadlines und die Anfragen stapeln sich im Posteingang oder wir haben Z-E-I-T. Zeit, in der wir uns dann gut ein schlechtes Gewissen einreden können, dass wir doch eigentlich mehr Akquise machen müssten. Bis dann der nächste Job an die Tür klopft.
Eines dieser Auftragslöcher habe ich gefüllt mit Basteln und (5) Magie. In unserem Büro hängt seit geraumer Zeit ein Altar fürs Akquise-Wiesel, das Maskottchen aller Akquisiteur:innen, wie jede:r weiß. Da soll mir erst mal jemand beweisen, dass die Opfer, die wir dem Akquise-Wiesel darbringen, nicht auch eine gute Akquisestrategie sind! ✨#manifestation✨

Ein sehr großes Dankeschön an unsere Kolleg:innen, die so bereitwillig und ehrlich auf meine indiskreten Fragen geantwortet haben! Wissen teilen und Konkurrenzdruck abbauen machen gutes Karma und schöne Beine, hat mir das Akquise-Wiesel gesagt.